Anders sollte Final Fantasy XVI werden; dunkler, actionreicher. Kaum war das Spiel auf dem Markt, regnete es überbordendes Lob von den Kritikern – und Unkenrufe von vielen Gamern, dies „sei gar kein Final Fantasy mehr“. Und ich? Auch wenn ich nicht alles an Final Fantasy XVI rundum gelungen finde, muss ich trotzdem gestehen: Ich hatte seit FFX nicht mehr so viel Spaß an einem neuen Titel der Hauptreihe. Und empfinde es als das wohl finalfantasy-igste Final Fantasy seit langem. ^_^ Wieso, weshalb, warum? Erfahrt Ihr in folgendem Review.
Die Story
In Valisthea kämpfen sechs Reiche um das verbleibende, fruchtbare Land sowie um die Macht der Mutterkristalle, die den Menschen Zugang zur Magie gewähren.
Wähnen wir uns zu Beginn der Geschichte noch in politischen Kleinkriegen und Verstrickungen, wird bald klar – das, worum es hier geht, ist viel größer als Politik. Es geht um nicht weniger als das Überleben der Menschheit.
Wir beginnen die Geschichte als Wyvern, einem Soldaten der kaiserlichen Armee Sanbrèques, der das Mal eines Sklaven trägt. Das Mal kennzeichnet jene, die Magie ohne Kristalle anwenden können, die als Leibeigene gehalten und als Werkzeuge so lange benutzt werden, bis sie ausgebrannt sind und sterben. Sie werden „Träger“ genannt. Wyverns Einheit, betraut mit der Aufgabe, Shivas Dominus (einen Menschen mit der Kraft einer Esper), zu vernichten, gerät zwischen die Fronten, und Wyvern wird verletzt. Ohnmächtig träumt er von seiner Vergangenheit und wir erfahren, dass er einst Clive, der erstgeborene Sohn des Großherzogs von Rosaria war, auf dem die Hoffnung ruhte, der Dominus des Phönix des werden. Doch diese Rolle fiel unerwartet seinem kleinen Bruder Joshua zu. Clive wurde zu Joshuas Schild, doch als es darauf ankam, war er nicht in der Lage, seinen Bruder zu schützen. Seither hält ihn sein Durst nach Rache am Leben, die dunkle Jagd nach jenem geheimnisvollen zweiten Dominus des Feuers, den er für Joshuas Schicksal verantwortlich macht …
Beim Angriff auf Shiva geht alles ganz schnell. Ihr Dominus entpuppt sich als Clives Kindheitsfreundin Jill und er ist außer Stande, seinen Auftrag auszuführen. Er wendet sich gegen seinen Befehl und seine Einheit und verteidigt Jill. Unverhoffte Unterstützung erhält er dabei von Cid, einem idealistischen Freiheitskämpfer, der dabei war, Shiva und mehrere Träger aus den Fängen der Eisernen zu befreien. Nach anfänglicher Zurückhaltung schließt Clive sich Cid an … und macht die ersten Schritte zurück in die Freiheit. Eine Freiheit, die er bald all jenen schenken möchte, die das gleiche Mal tragen wie er, eine Freiheit, die ganz Valisthea benötigt. Denn immer deutlicher wird, dass Clives Vergangenheit, die Fäule, die die Welt verdorren lässt, die Mutterkristalle, die Unterdrückung der Träger und die Domini, dass all das zusammenhängt. Kann Clive die Konstrukte der Lügen, die über Generationen gesponnen und weiterverbreitet wurden, entwirren, und die Wahrheit ans Licht bringen?
Die Handlung und ihre Charaktere sind für mich der große Pluspunkt von Final Fantasy XVI. Die epische Weltenrettungsgeschichte trifft genau meinen Nerv. Gleichzeitig verstehe ich insbesondere aufgrund der Geschichte nicht, wie man der Meinung sein könnte, es handle sich „um kein Final Fantasy“? Ist die Geschichte nicht im Grunde der Kern JEDES (guten ;) ) Final Fantasy Teils?! Es geht darum, die Welt vor Ausbeutung und Zerstörung zu schützen. Die Menschen aus Knechtschaft und Unterdrückung in die Freiheit zu führen, sie zu einen. Durch die Kraft von Freundschaft und Liebe über sich hinauszuwachsen und selbst größte Hindernisse zu überwinden, gar Albtraumgestalten oder Götter zu stürzen. Wenn das nicht Final Fantasy ist, dann … weiß ich es auch nicht?
Anfangs erschien mir manches etwas überhastet erzählt und vielleicht sogar unlogisch. Ich fand es schade, dass wichtige Plotpunkte durch das Marketing bereits vorab gelüftet worden waren und dadurch einiges sehr vorhersehbar war. Ich hätte gern mehr davon als Plottwist im Spiel miterlebt. Im Verlauf der Story wird klarer … übereilt wurde nur erzählt, was im Vergleich gar nicht so viel Relevanz besitzt (das Clive sich Cid anschließt zB). Was unlogisch erschien (dass Magieträger, die man ja theoretisch stärker als „normale Menschen“ wähnt, zu Sklaven werden konnten), macht später plötzlich Sinn.
Auch wenn die Handlung überwiegend in Videosequenzen abläuft und selten „erspielt wird“ – die Welt fühlt sich realistisch an. Die Art und Weise, wie wir der Wahrheit Schritt für Schritt näherkommen, ist spannend, der Ausgang selten gewiss. Sollte Euch eine Entwicklung der komplexen und fraktionsreichen Geschichte entgangen sein, könnt bei Harpokrates in der Mnemothek oder bei Vivian auf ihrer Entwicklungskarte alles in Ruhe nachschlagen.
Die Charaktere
Final Fantasy XVI bietet einen ganzen Strauß sympathischer Charaktere, realistischer Beziehungen und Verstrickungen sowie intelligente Dialoge mit viel subtilem Humor. Kurzum – ich bin total begeistert. Hier und da (I´m looking at you, Barnabas!) schwingt mir deutlich zu viel Pathos zwischen den Zeilen, aber … irgendwas ist ja immer.
Schon die Demo zeigte, dass Clive ein absoluter Sympathieträger ist. Bereits als Teenie war er hilfsbereit und freundlich, selbst zu den von der Gesellschaft verachteten Trägern. Er bemüht sich, seinen Pflichten gerecht zu werden und stellt sich selbst oft hinter die Bedürfnisse anderer. Neben den vielen mystisch-schweigsamen Grummelhelden ist Clive deutlich empathischer, er hat für jeden ein offenes Ohr und bringt sogar die ganzen alten Kämpen wie Otto und Schmied Schlehdorn dazu, ihm ihre Sorgen anzuvertrauen. Mut zum Gefühl! In FF16 fließen bei Männergesprächen Tränen, Belohnungen werden abgelehnt und es wird immer wieder betont, dass Reden hilft und sich niemand seinen Problemen allein stellen muss.
Wir erleben tragische Hintergrundgeschichten, bewegende Schicksale. Treffen mutige Heldinnen, kluge Erfinderinnen, Huren, die ihre Städte mit Empathie, Verstand und Ehrgefühl durch die Krise führen, sowie endlich offen queere Charaktere. Es gibt für jeden eine ausgebaute Hintergrundgeschichte, viele Charaktere verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, sie alle zusammen verbinden sich zu einer komplexen, glaubhaften Welt.
Selbst die Antagonisten sind (mit vielleicht einer abgrundtief kaltherzigen Ausnahme *böserblick*) nachvollziehbar und menschlich gezeichnet.
Die Welt
Es ist nicht schwer, in Valisthea die Welt Ivalice wiederzuerkennen, in der bereits das Geschehen von Final Fantasy Tactics, FF XII und Vagrant Story spielte. Dhalmekia, Rosaria und Arsha sind rasch als Dalmasca, Rozarria und Archadia zu identifizieren, und schon der erste Anblick der „Gefallenen-Ruinen“ rief in mir Erinnerungen an die Luftschiffe aus Final Fantasy XII wach, noch bevor Cid auch nur den Mund aufmachen konnte. Ich bin definitiv versucht, mich wieder in Final Fantasy XII zu stürzen, um dort vielleicht Hinweise auf den Ursprung von Ultima und auf die Mutterkristalle zu finden.
Doch nicht nur die Namen klingen bekannt, auch das Kostümdesign vermittelt ein vertrautes Gefühl. Final Fantasy XVI macht es den alten Fans der Reihe leicht, sich in ihr zuhause zu fühlen.
Nachdem der Spielbeginn sich recht linear, die Wege schlauchartig vorgegeben anfühlten, öffnet sich das Spiel nach einer Weile. Wir haben keine echte Open World, doch mehrere miteinander verbundene Landkarten, deren Abschnitte zwischen linearen Wegen und weiter offener Fläche wechseln. Die einzelnen Abschnitte der Karte eines Reiches gehen dabei ladezeitenfrei ineinander über, der Schritt über die Grenze des Nachbarreiches benötigt dann den Schritt über die Weltkarte.
Mir persönlich ist die Welt groß genug. Am wichtigsten: Sie fühlt sich bevölkert und lebendig an. Vorbei die Zeiten, in denen FF15-like einfach nichts in ihr zu entdecken war. Auch die NPCs, die wie in Final Fantasy VII Remake wunderbar natürlich ihre Dialoge sprechen, während wir an ihnen vorbeigehen, wirken einzigartig. Mir sind keine Klone aufgefallen. ;)
Egal wo Clive sich befindet, die Umgebung ist detailreich und atmosphärisch. Der Wind, der über die Felder streicht, sein Rauschen in den Bäumen, die aufbrandenden Wellen an der Küste … Gänsehaut! All das erweckt Valisthea zum Leben. Ich könnte in Final Fantasy XVI stundenlang verharren und schlicht die jeweilige Atmosphäre genießen.
Doch unter der optischen Schönheit lauert das Verderben. Da wäre zum einen die Fäule, die weite Landstriche für sich erobert, das Land tötet und das Wirken von Magie unmöglich macht. Zum anderen die menschlichen Grausamkeiten, die uns im Spielverlauf immer wieder mit voller Härte vor Augen geführt werden. Die Analogie auf unsere reale Welt ist nicht zu übersehen und macht das zwingende Gefühl, die Welt zu einem besseren Ort machen zu wollen, umso drängender.
Die sechs Länder sind groß und besonders anhand der Hauptstädte klar voneinander zu unterscheiden. Während sich Rosaria verspielt mit einer nahezu romantischen Burgenlandschaft präsentiert, sind die Schlösser Sanbrèques prächtig und strahlend. Dhalmakia zeigt alle nur vorstellbaren orientalischen Schönheiten und das Reich der Eisernen ist steinig, kalt und rau.
Zwar sind die meisten Häuser in den Städten nicht begehbar, aber wenn wir ehrlich sind, war es noch nie besonders realistisch, dass man ungehindert in jedes Haus hineinspazieren konnte.
So sehr die Reiche sich optisch voneinander unterscheiden, so verschieden sind sie auch in ihrem Wesen. Während man in Rosaria die Magieträger anständig behandelt und dem Dominus den Sitz des Großherzogs anvertraut, verfolgen die Eisernen all jene, die Magie beherrschen, mit tödlicher Härte. In Sanbrèque gilt der Kaiser als Stellvertreter Gottes, dem Dominus, seinem Sohn, wird die Führung des Heeres anvertraut. Die Träger gelten hier jedoch kaum mehr als Tiere.
In jedem Moment der Geschichte ist das Elend von Sklaverei und Unterdrückung spürbar. Die Gleichgültigkeit, mit der selbst Kinder den Trägern begegnen, die Achtlosigkeit, wie man mit ihnen verfährt … all das macht die Welt düster und abgründig.
Das Kampfsystem
Hier unterscheidet sich Final Fantasy 16 erstmals deutlich von seinen Vorgängern. Aus dem Rollenspiel ist ein Action-RPG geworden. Statt der Auswahl der richtigen Fertigkeiten und Ausrüstung zählen jetzt Geschick und Schnelligkeit der Spieler. Ist das schlecht? Kommt vermutlich drauf an, wen man fragt.
Ich habe das alte ATB-System immer geliebt und bin definitiv keine Action-RPG-Spielerin. Das Misch-System in FF7R hat mir sehr gefallen, dennoch merkte ich auch da schon, dass ich insbesondere mit dem rechtzeitigen Ausweichen so meine Schwierigkeiten haben kann. Vor allem bei Gegnergruppen geht mir alles viel zu schnell, als dass ich noch Zeit hätte, die Kamera auch in meinen Rücken zu drehen … Doch auch Leute wie mich hat Square Enix mitgedacht, das Spiel schließt mich nicht aus. Denn Final Fantasy XVI bietet verschiedene Schwierigkeitsgrade:
Da hätten wir den Story-Modus, in dem die Gegner weniger Schaden verursachen und über weniger Lebenspunkte verfügen. Dem Gegenüber steht das Spiel mit Action-Fokus, in dem die Kämpfe manches Mal schon ganz schön lange dauern können. Den nach dem ersten Durchspielen freigeschalteten Final-Fantasy-Modus habe ich mir noch nicht lange genug angesehen, um ihn einzuordnen, bisher wirkt er nicht viel anders als der Action-Modus, verzichtet allerdings auf die Anzeige von Eingabehilfen und kommt früher mit zäheren Gegnern um die Ecke.
Innerhalb der Modi können wir den Schwierigkeitsgrad zusätzlich mit verschiedenen Accessoires variieren. Von Anfang an verfügt Clive über ein Set aus Ringen, die Euch ermöglichen
- den richtigen Zeitpunkt zum Ausweichen angezeigt zu bekommen,
- automatisch auszuweichen,
- automatisch bei niedrigen LP einen Heiltrank zu schlucken,
- Eure Angriffe allein durch wiederholtes Drücken von „Quadrat“ zu automatisieren oder
- Torgals Angriffe zu automatisieren.
Drei dieser Schmuckstücke könnt Ihr gleichzeitig anlegen. Da das automatische Ausweichen den angezeigten Zeitpunkt des Ausweichens überflüssig macht, und das automatische Angreifen auch Torgals Attacken mit einschließt, könnt Ihr im Prinzip alle Erleichterungen zusammen nutzen.
Ich persönlich habe mit Action-Fokus unter Zuhilfenahme des „Rings des zeitigen Ausweichens“ gespielt und bin gut zurechtgekommen. Das automatische Ausweichen und Angreifen habe ich zwischenzeitlich ausprobiert, hatte dabei aber das Gefühl, keinerlei Kontrolle mehr über das Spiel zu besitzen, was mir weniger gefallen hat. Den bei meiner Levelrunde ausgetesteten Story-Modus empfand ich als sehr angenehm, da die Kämpfe einfach schneller vorbei waren. Trotzdem – diese sehr individuellen Einstellungsmöglichkeiten lassen mich glauben, dass für jeden das Richtige dabei sein kann. Eventuell wird das Spiel eingefleischten Actions-Fans zu leicht sein – aber das kann ich nicht beurteilen.
Positiv hervorheben will ich, wie einsteigerfreundlich alle Fähigkeiten eingeführt und erklärt werden. Erst das Schwert, dann die Magie, dann die Esper. Ich fühlte mich nie überfordert oder alleingelassen.
Dass ich nur Clive steuere und meine Begleiter nicht individuell mit Fähigkeiten ausstatten kann (nicht mal Torgal!), fand ich ein bisschen schade, aber insgesamt zu verkraften. Auch dass die Kämpfe keinerlei Strategien erfordern, ich nicht meinen MP-Verbrauch regulieren, sondern lediglich die Anzahl meiner Heiltränke im Auge halten muss, ist zu verschmerzen. Aber da hört es dann auch für mich auf.
In Summe waren die Kämpfe für mich nicht zufriedenstellend. Anfangs machten sie viel Spaß, doch nach einer Weile wirkten sie (abgesehen von einer Handvoll Bosskämpfen, die sich durch cineastische Kampfhandlungen voneinander unterschieden) vollkommen gleich und austauschbar. Meine Gegner haben keine individuellen Stärken und Schwächen, Elemente und Statuseffekt kommen nicht vor. Ich kann Feuerdämonen problemlos mit Phönix oder Ifrit besiegen, Shivas Eis-Fähigkeiten verstärken den verursachten Schaden nicht.
Die Esper-Fähigkeiten sind zwar alle individuell gestaltet und bieten Möglichkeiten für diverse, spannende Synergien, doch dienen sie nur meinen persönlichen Vorlieben. Ich bin nie gezwungen, sie in irgendeiner Form taktisch zu kombinieren und einzusetzen. Daher ist es leicht, in einen Spielstil zu verfallen und ihn konsequent beizubehalten. Natürlich ist es schön, wenn man genau so spielen kann, wie man es möchte – es macht die Kämpfe aber auf Dauer sehr eintönig. Ihre Schwierigkeit scheint sich anhand ihrer Länge und in schwer auszuweichenden Attacken der Gegner zu bemessen. Von mir wird keinerlei Taktik erwartet. Es kommt nicht auf die Fähigkeiten meines Charakters an, sondern nur auf mein persönliches Geschick als Spieler, rechtzeitig die passenden Knöpfchen zu drücken.
Eine Ausnahme vom üblichen Kampfgeschehen bieten die reinen Esper-Kämpfe, in denen Clive die Steuerung von Ifrit übernimmt. Hier lernt Ihr mit jedem Kampf etwas dazu, und da Ihr gegen immer andere Esper antretet, gestalten sich diese Kämpfe ganz individuell. Schade fand ich, dass sie sich teils mehr nach Filmen, unterbrochen von Knöpfchendrücken, anfühlten. Auch die Kampfdauer (hey, noch ne Phase!) war mir vielfach zu lang. Eine Stunde für einen normalen Bosskampf? Ich brauche das nicht …
Massiv gestört hat mich dabei das übertriebene Lichtgeflunkel – ich konnte teilweise meine Gegner in dem Effektgewitter und Geflacker nicht erkennen und die Damage-Zahlen nicht lesen, um die Effektivität der einzelnen Attacken einzuschätzen. Einmal habe ich eine dezent am Rand eingeblendete Information über die Änderung der Kampfsteuerung einfach übersehen.
Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen. Vor lauter Effekten sind mir die Esper einfach zu oft untergegangen.
Gameplay
Final Fantasy XVI versucht zu verhindern, linear zu wirken, – ist es im Grunde seines Wesens aber dennoch.
Zwar öffnet sich das Spiel nach einer gewissen Einführungszeit und lässt uns die Wahl, ob wir gleich in der Handlung weitermachen oder uns erst mit einigen Nebenaufgaben beschäftigen wollen. Viel mehr Auswahl haben wir allerdings nicht. Natürlich können wir auch die bereits freigeschalteten Kartenabschnitte besuchen, dort gegen Monster kämpfen oder mit NPCs quatschen … es bringt nur leider nichts. Es gibt (fast) keine Geheimnisse zu entdecken, keine Nebenaufgaben, die nicht unübersehbar mit einer Markierung versehen sind. EP, FP oder Gil farmen – ja, machbar, nur ist auch das einfach überflüssig. Ich muss nicht erst „stärker werden“, um die Monster zu besiegen, brauche keine besonderen Items zum Waffenupgrade, die ich abseits des normalen Spielverlaufs finden müsste. Und auch, wenn ich zwischendurch ein paar Gil gefarmt habe, um mir die neuen Orchestrion-Rollen kaufen können, – rückblickend wäre es nicht nötig gewesen. Ich habe meinen Spieldurchlauf mit einem Plus von rund 300.000 Gil beendet.
Positiv fand ich, dass die Nebenaufgaben und auch das Jagdbrett in Final Fantasy XVI gut ins Spielgeschehen integriert sind. Keine alberne Selfie-Jagd, während die Welt am Abgrund steht. In Valisthea gibt es genug Sinnvolles zu tun, um den vom Krieg gebeutelten Menschen zu helfen. Heilkräuter besorgen, Verhandlungen führen, schreckliche Monster vertreiben oder unseren Verbündeten helfen, neue Verstecke aufzubauen oder Heimaten für die Träger zu erschließen. – Ja, alles nicht neu, aber mit wenigen Ausnahmen atmosphärisch sehr gut integriert. Viele Nebenaufgaben beschäftigen sich intensiv mit den Hintergrundgeschichten der Charaktere. Ich schätze, diese könnten auf Spieler, die weniger Wert auf die Story legen, etwas zäh und langweilig wirken, – mir persönlich haben gerade die besonders gut gefallen. Auch wenn sich einige ein bisschen in die Länge zogen oder im Pathos ertranken, dafür entschädigten dann wieder die liebenswerten Charaktere und ihr Humor.
Minispiele gibt es in FFXVI keine, sie würden sich hier aber glaube ich auch fehl am Platz anfühlen. Was ich vermisst habe, war ein bisschen „stöbern“ und Dinge entdecken. Gefreut habe ich mich, die Schatzkarte zu finden, die unerwartet vor mir lag, und damit auf die Suche zu gehen. Aber ein einziges Geheimnis reißt es in Summe dann auch nicht raus.
Natürlich existieren zahlreiche Schatzkisten in den Winkeln Valistheas. Doch abgesehen von vier Orchestrion-Noten und – wenn es hochkommt – zehn Waffen und Accessoires, die man als nützlich bezeichnen kann, … ist ihr Inhalt belanglos. Hier 20 Gil, dort Standard-Waffenmaterial, das ich aber nicht benutzen muss, da ich nach dem nächsten Bosskampf sowieso eine bessere Klinge bekomme.
Das Fertigkeiten-Brett bezieht sich rein auf die Fähigkeiten der Esper. Eine spürbare Charakterentwicklung für Clive gibt es nicht. Vermutlich hätte man sogar auf die Level-Ups verzichten können, wenn man die LP der Gegner im Gegenzug auch nicht angehoben hätte.
Final Fantasy XVI kann nicht verbergen, dass es eine tolle Geschichte in Spielform ist. Und natürlich braucht eine gute Erzählung eine gewisse Chronologie, damit sie Sinn ergibt, was die „Handlungsfreiheit“ der Charaktere zwangsläufig etwas einschränkt. Mich stört das nicht, da Story und Charaktere für mich das Wichtigste sind. Passt das, kann ich über vieles andere hinwegsehen. Hier muss ich das allerdings auch.
Um das Gameplay spannender zu gestalten, würde mir eine Abkehr vom heute gängigen „MMO-Quest-System“ genügen. Statt Aufgaben durch Markierungen in Listen zu sammeln – lasst sie uns doch einfach durch Hinweise in Gesprächen wieder selbst entdecken? In Final Fantasy VII war es der Reisende von Kalm, der von der Wüstenrose sprach, … also machten wir uns auf die Suche nach einer Blume in der Wüste. In FFVIII konnten wir in der Welt herumliegende Zeitschriften finden, die uns verrieten, welche Gegenstände man zu neuen Waffen zusammenbauen konnte. Damit begann unsere Suche. Warum muss heute alles vorgegeben sein? Statt mit Schlehdorn auf ein von Anfang bis Ende durchgetaktetes Quest zu gehen, an dessen Ende er einen Bauplan für eine neue Waffe in Händen hält, hätte ich viel lieber nur eine Andeutung von ihm erhalten, mit der ich mich dann selbstständig auf die Suche begeben hätte.
Ich habs im Demo-Review schon erwähnt: Mir fehlt eine Mini-Map, bzw., eine Karte von den Spielabschnitten, die keine Karte haben. Ja, es handelt sich dabei nur um die „Schlauchlevel auf dem Weg zum Boss“, aber ich verliere – gerade in einem Schlauchlevel – schnell die Orientierung, wenn ich mich umsehe, jeden Winkel des Raumes erkunde und dann nicht mehr weiß, ob ich durch die rechte oder linke Türe des Saals gekommen bin. Mich stört das massiv, vor allem weil eine simple Karte hier Abhilfe schaffen könnte.
Andere Tests und Reviews schreiben dem Spiel 30-40 Stunden Spielzeit zu. Ich habe für meinen ersten Komplettdurchgang mit allen (auf diesem Wege machbaren) Trophäen knapp 90 Stunden gebraucht. Allerdings läuft die Konsole bei mir auch weiter, wenn ich „nur kurz“ etwas mit dem Kind kläre oder mich um den Hund kümmere, es könnten daher realistisch eher 80 Stunden gewesen sein. Die Zeit war kurzweilig und verging wie im Flug. Die aufgeführten Kritikpunkte konnten meinen Spielspaß nicht bremsen.
Musik & Sound
Neben Story und Charakteren ist die Musik einer der Gründe, weshalb ich Final Fantasy so sehr liebe.
Ich gebe zu – der Soundtrack aus der Feder von Komponist Masayoshi Soken hat mich anfangs etwas enttäuscht. Ja, die Musik war ok, aber sie dudelte so vor sich hin, es war nichts dabei, was mich wirklich vom Hocker gerissen hätte. Aber mit der Zeit (es begann mit dem tiefen Dröhnen auf der Ebene vor Oriflamme ♥) kamen immer mehr Tracks hinzu, die mir sehr gefallen haben (Sorrow´s Faded Form & Indomitable aus dem Orchestrion ♥) und perfekt zur dunklen Atmosphäre der Handlung passten.
Auffällig viele Tracks bedienen sich altbekannter Melodien. Da ist die Battle-Theme aus FFVIII, ein Track, der an die Slums aus Remake erinnert, immer wieder die Final-Fantasy-Prelude-Theme und Stücke, die mich an Final Fantasy X, XII und Tactics, XIV oder (im Fall der bombastischen mit Chor unterlegten Orchester-Stücke) an Final Fantasy XV erinnern. All das lässt den Soundtrack wenig innovativ wirken (ich habe eine Theorie, warum es dennoch Absicht ist, die verrate ich Euch die Tage in meinem Interpretationsbeitrag), – gefallen hat er mir bis auf wenige Ausnahmen trotzdem sehr. Vor allem die ruhigen, melancholischen Stücke, die kein großes Gedöns machen und mit nichts als wenigen Klavieranschlägen zu verzaubern vermögen, haben es mir sehr angetan.
Wie zuletzt in Final Fantasy VII Remake ist auch die Sprachausgabe von FFXVI einfach top! Die Untertitel sind gelungen und ich liebe die deutsche Synchro! Klar, ich mag nicht alle Sprecher gleichermaßen, aber insbesondere Clive, Jill, Cid, Gav, Charon, Dion, Byron, Jote, Tarja … konnten mich rundum überzeugen. Clive, gesprochen von Vincent Fallow, ist so unfassbar gut getroffen! Er gefällt mir sogar besser, als sein englisches Äquivalent, weshalb ich mich entgegen meiner üblichen Vorgehensweise, das Spiel sowohl auf Deutsch, Englisch als auch Japanisch durchzuspielen, entschieden habe, auch im New-Game+ bei der deutschen Synchro zu bleiben. Die dunkle, raue Stimme, die so gefühlvoll und weich klingen, im Kampf aber so richtig martialisch brüllen kann – perfekt, wirklich.
An der englischen Version gefallen mir die vielen tollen Akzente sowie das alte Englisch, was mir jedoch dann und wann die Übersetzung erschwert.
Lip-Sync gibt es in Final Fantasy XVI nur für die englische Ausgabe, was mich jedoch nicht stört.
Ausdrücklich nicht gefallen haben mir die Dialoge, die mit nur ein, zwei Worten angeteast werden, dann aber via Text weiterzulesen sind. Das hat mich bis zum Ende des Spiels durchgehend irritiert. Reine Textform wäre für mich okay gewesen, aber diese abgehakten Halbsätze fand ich tatsächlich schwer zu ertragen. Sie haben für mich jede Atmosphäre gekillt.
Grafik
Final Fantasy XVI ist ein Grafik-Hammer. Valisthea präsentiert sich wunderschön, das Licht, das Wasser … ich könnte stundenlang dastehen und die Welt betrachten. Die Millionen Screenshots, die ich aufgenommen habe, können das bezeugen. ^^ Die Charaktere sehen großartig aus, ihre Haare bewegen sich natürlich, die Kleidung passt sich perfekt den Bewegungen an.
Manchmal wirkten die Mundbewegungen des Lip-Sync etwas seltsam im Gesicht, aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
Das Monster-Design ist eindrucksvoll, die liebevoll gestalteten Details der Umgebung ein Augenschmaus. Auch die Inszenierung, die „Kameraführung“ wenn man es so nennen will, war filmreif. Optisch hat mir FF16 unfassbar gut gefallen.
Größtes Manko war für mich das massive Motion Blur, das allerdings seit gestern mit Patch 1.03 endlich regulierbar ist. Ich bin gespannt, wie sich das in meinem NewGame+ bemerkbar machen wird.
In meinem ersten Spieldurchlauf konnte ich es vergessen, mich im Laufen umzusehen, alles verschwamm dann vor meinen Augen, wurde unscharf – und ich erkannte gar nichts mehr. Wenn ich also auf der Suche nach einer Schatztruhe die Umgebung sondieren wollte, musste ich immer stehenbleiben und die Kamera stückchenweise vorwärtsbewegen. Dies habe ich als sehr einschränkend empfunden. Ich bin gespannt, ob es jetzt nach dem Patch besser wird (habe gestern von Bewegungsunschärfe Stufe 5 auf 0 heruntergeregelt, allerdings seither kaum gespielt).
Bemängeln ließe sich vielleicht, dass in der so natürlich anmutenden Umgebung große Flächen wie Burgmauern oder die Wände großer Innenräume plötzlich etwas leer und steril wirken. Aber auch das ist im Gegenzug für das rauschende Meer, den strahlenden Himmel und die wogenden Wälder und Wiesen zu verzeihen.
Dann und wann habe ich tatsächlich einige Frameeinbrüche und Ruckler bemerkt. Nach einem langen und effektreichen Esperkampf hat sich zudem meine PS5 im folgenden Storyvideo einfach ausgeschaltet. Ich habe keine Daten verloren und auch der Konsole geht es gut. Ärgerlich war es trotzdem. Denn es war genau dieser Moment (Achtung, spoilerlastiger Screenshot!), in dem mein Bild erlosch. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass ich das in dem Augenblick gar nicht gebrauchen konnte. ^^
Wie oben bereits erwähnt, war mir das Effektgewitter während der Esperkämpfe deutlich zu viel. Ich hätte lieber die Kampfhandlung verfolgt, gesehen, was auf dem Bildschirm passiert, statt angestrengt hinter Flammen, Explosionen, Gigaflares und herumwirbelnden Felsbrocken nach den Umrissen meiner Charaktere und Gegner zu forschen.
Gesamt
Pro
- sympathische & authentische Charaktere
- epische Story mit Nebenszenarien, die sich (trotz Längen) inhaltlich stimmig ins Gesamtbild einfügen
- düstere Atmosphäre mit vielen Analogien zur realen Welt
- atmosphärischer Soundtrack
- wunderschöne Umgebung
- anfängerfreundliche Einführung ans Action-Gameplay
Contra
- extremes Motion Blur (einstellbar seit Patch 1.03)
- keine Rätsel zu entdecken
- keine spürbare Charakterentwicklung abseits der Esper
- Kämpfe auf Dauer eintönig, da die Gegner keine individuellen Stärken oder Schwächen besitzen
- extremes Grafikfeuerwerk überlagert die Bosskämpfe (und überhitzt teilweise die PS5)
- teilweise nur halb synchronisierte Dialoge
Insgesamt hat mich Final Fantasy XVI sehr begeistert. Seit Final Fantasy X hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit einem Titel der Final Fantasy Hauptreihe. Trotzdem ist es für mich ein ganzes Stück weg von perfekt.
Die Stärken des Spiels liegen für mich klar in der epischen Handlung, der Atmosphäre und den durchweg liebenswerten Charakteren. Die Musik trägt die Atmosphäre, die Charaktere tragen die Handlung, die Synchro ist lebendig und das Kampfsystem macht überwiegend Spaß, wird mit der Zeit jedoch etwas eintönig. Das übertriebene Effektgewitter der Bosskämpfe nimmt mir mehr, als es gibt.
Auch wenn das Spiel viel Beschäftigung bietet, ist der Anteil der Dinge, die ich alleine herausfinden darf, sehr gering bis nicht vorhanden. Ich vermisse die „guten, alten Zeiten“, in denen ich von mir aus mit allen NPCs gesprochen habe, und nicht bloß von einem grünen (!) zum nächsten gejagt wurde.
Mir schwingt manchmal deutlich zu viel Pathos in den Reden, was das Zuhören in einigen Abschnitten fast unerträglich machte. Vieles passiert actionreich & schnell, anderes wirkt daneben unnötig in die Länge gezogen. Gerade in der ersten Spielhälfte empfand ich vieles als zu vorhersehbar, was aber auch dem Marketing des Spiels geschuldet sein kann.
Im Gesamtbild fallen diese „Kleinigkeiten“ aber kaum ins Gewicht. Story, Charaktere, Musik – all das stimmt. Ich hatte Spaß, habe mitgefiebert, viel geweint, aber auch viel gelacht.
Wenn Final Fantasy VII (+ Remake), VI, Tactics, X und VIII ein bisschen zusammenrücken, darf Final Fantasy XVI mit in mein Top-5-Regal einziehen.
Meine Wertung: 8/10
(Story:10/10, Gameplay: 6/10)
1 Gedanke zu „Final Fantasy XVI – Review (spoilerfrei)“