Ouha. Da ist es also, das Final Fantasy VII Mobile-Gatcha-Game. Ich war lange unschlüssig, ob ich es überhaupt anspielen sollte. Ich spiele nicht gern am Handy, aber die Aussicht auf neue Storyelemente aus Final Fantasy VII First Soldier oder der Novel „Traces of Two Pasts“ machte mir schnell klar, dass ich es wenigstens ausprobieren wollte.
Gatcha
Über Gatcha-Games brauchen wir nicht groß reden. Rein aus moralischer Perspektive, wegen überteuerter In-Game Käufe, des Gambling-Faktors, der Spielsucht-Mechaniken … all das sind Gründe, diese Art von Spielen abzulehnen. Trotzdem denke ich, wenn man sich von vornherein darüber im Klaren ist, was man da vor sich hat, dann kann man – zumindest als gesunder Erwachsener ohne Spielsuchttendenzen – vermutlich gut damit zurechtkommen.
Ich habe z.B. viel Spaß mit Genshin Impact gehabt – und dort tatsächlich auch ab und an Geld ausgegeben. Wäre Final Fantasy VII Ever Crisis ein qualitativ ähnlich hochwertiges PC- oder Konsolenspiel, hätte ich mir dies hier vielleicht auch vorstellen können, aber … ich greife vor.
Trotzdem muss ich Ever Crisis – zu diesem Zeitpunkt (Player Lvl 34) – zugutehalten, dass ich kein Geld ausgeben muss. Bisher sind alle Charaktere von Anfang an frei verfügbar, niemand muss erst freigeschaltet werden. Epische 5-Sterne-Waffen lassen sich relativ leicht durch ein Upgrade der bereits vorhandenen 3- und 4-Sterne-Waffen erschaffen. Ich bin keinesfalls gezwungen, Geld zu investieren. Über Storys, Missionen oder Quests gibt es zwischendurch immer wieder Draw-Tickets als Belohnung, die in den aktuell laufenden Bannern benutzt werden können. Kurz: Ich kann das Spiel spielen, ohne es ständig mit Geld füttern zu müssen – und das ist ein großer Pluspunkt.
Dennoch: Es ist und bleibt ein (reines) Gatcha-Game. Das ganze Spiel fühlt sich für mich nicht an wie ein Spiel, es ist bloße Beschäftigungstherapie. Ich mache im Grunde nichts. Drücke nur mal hier und da einen Knopf, wechsle in jenes Menü, verteile dort Punkte, sammle ein Item, starte eine automatisierte Chocobo-Mission, sammle die Belohnung. Es fühlt sich an, als würde ich etwas verwalten, nicht als würde ich tatsächlich etwas spielen. Die FF7 Handlung ist bloß eine oberflächliche Verpackung, es gibt kein Mitfiebern und weckt in mir keinerlei Motivation, mich intensiv damit zu beschäftigen.
Die Story
Das größte Problem habe ich mit der/den Storylines, insbesondere denen von Final Fantasy VII. Natürlich war absehbar, dass Ever Crisis nicht die Ausführlichkeit und Tiefe des Originals besitzen würde. Aber die Art und Weise wie und wie viel da heruntergebrochen wurde … das tut mir als großem FFVII-Fan wirklich in der Seele weh. Die Bombing Mission war im Großen und Ganzen ok, die Zeit in 7th Heaven … erhielt durch die „Einzelmissionen“ (ein Dialog + Kampf) für Jessie, Biggs & Wedge einen seltsamen Fokus auf die Avalanche Charaktere, das Zusammentreffen mit Aerith in der Kirche war dann gefühlt eine Totalkatastrophe. Eine Mission für 2-3 Dialogzeilen? Mehr nicht? Und dann eine weitere für nichts als einen Kampf? Was ist das für eine Gewichtung? Ich verstehe es nicht.
In den First-Soldier-Kapiteln fühlte sich alles anfangs nicht ganz so schlimm an, da die Geschichte in diesen Abschnitten für mich neu war. Trotzdem habe ich mich nach einiger Zeit dabei ertappt, dass ich die Dialoge überspringe, nur schnell die Kämpfe erledigen möchte, um endlich alles abzuhaken.
Ähnlich erging es mir in den Crisis Core Missionen. Fühlte ich mich anfangs recht nah am echten CC (da auch dies in Missionen erzählt wird und besonders zu Beginn keine tiefe Geschichte vermittelt), war ich bald einfach nur noch froh, wenn ich die Kapitel beendet hatte.
Die irgendwann freigeschalteten Bonus-Storys zu Cloud, Tifa und Aerith, habe ich dann trotz Vorfreude gar nicht mehr abgeschlossen, da mir diese Verkürzungen und die Oberflächlichkeit in Geschichte und Dialog einfach jeden Spaß daran raubten.
Optik & Musik
Zugutehalten kann ich EverCrisis: Es sieht verdammt gut aus! Ich meine – nichts anderes erwarten wir von einem Final Fantasy, aber trotzdem will ich es hier hervorheben. Das Design im Kampf, der Menü-Hintergründe – es ist, als hätte ich das Remake in der Tasche dabei. Das Chibi-Design der Figuren, wenn sie sich „in Game“ durch die Welt bewegen, ist einfach niedlich. Auch die Videosequenzen stehen denen des Remakes in Nichts nach.
Die Musik ist – wie wir es aus Final Fantasy gewohnt sind – wirklich schön! Leider wurden einige der Stücke für Ever Crisis sehr verkürzt, und diese knappen Loops, die mir da wieder und wieder aus dem Mobile entgegenschallen, gehen mir recht schnell auf die Neven – und zwar so sehr, dass ich die Musik regelmäßig ausschalte, um einer Migräne vorzubeugen. Obwohl es sich dabei um einige meiner allerliebsten Spielmusik-Tracks überhaupt handelt. Das muss man erstmal schaffen.
Spielinhalt & Kampfsystem
Ich mag gar nicht über das Kampfsystem reden. Kann ich den Punkt bitte einfach überspringen? Nein? *seufz*
Ever Crisis erweckt anfangs den Eindruck, als wäre es nah am bekannten ATB-System von früher, schließlich warte ich auch in hier, bis sich die ATB-Balken füllen und wähle dann, ob ich angreifen oder einen Zauber sprechen möchte, aber … ja. Diese Illusion hielt nur eine kurze Weile. Sobald die Kämpfe etwas fordernder wurden, und ich gezwungen war, die Charaktere schnell zu wechseln, fiel es mir schwer, der hastigen Knöfchendrückerei noch etwas abzugewinnen. Die integrierte Auto-Battle Funktion macht alles genauso gut wie ich, dazu kommt, dass ich die Geschwindigkeit des Spiels dann hochdrehen kann, und das Leid einfach schneller ein Ende hat. Das Einzige, was ich jetzt noch erledigen muss, ist, die Limits zu aktivieren, sobald sie verfügbar werden.
Ich weiß nicht, woran es liegt, dass Ever Crisis sich einfach nicht danach anfühlt, als würde ich selbst etwas tun. Schließlich wähle ich auch im klassischen Final Fantasy VII nur Kommandos aus einem Menü und muss mich nicht groß bewegen. Trotzdem bietet FF7 ein komplett anders Spielgefühl. Vielleicht, weil ich im Original einfach so viel mehr Materia dabei habe und gleichzeitig mit meinen MP haushalten muss?
In EverCrisis hat jeder Charakter 4-5 Knöpfchen, benötig in der Regel allerdings nicht mehr als 2 verschiedene je Kampf. Es braucht keine taktische Finesse, keine Strategie. Ich muss einfach nur ab und an einen Button drücken. That´s it.
Multiplayer
Dafür bietet EverCrisis in vielen Bereichen einen Coop-Modus, der es ermöglicht, mit anderen Spielern zusammenzuspielen. Meine Erfahrung damit beschränkt sich auf Kämpfe in Random Teams, in denen jeder Spielen dann nur einen Charakter steuert. Meist findet auch das komplett automatisiert statt, wodurch es im Grunde noch weniger zu tun gibt, als im Solo Modus. Ob es in Coop-Dungeons möglich ist, tatsächlich gemeinsam durch die Gegend zu laufen, habe ich nicht ausprobiert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte.
Dungeons und mehr
Hinter dem hochtrabenden Begriff „Dungeons“ verbirgt sich in Ever Crisis nichts weiter, als Spielabschnitte, die man bereits durchlaufen hat, und die man erneut, ohne Handlung, dafür mit mehreren, in der Schwierigkeit variierenden Bossgegnern durchlaufen kann, um – Überraschung – Items zu gewinnen.
Es gibt einen Herausforderungstower mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad, in dem ich aber auch nichts Neues abseits der anderen Kampfmodi entdecken konnte.
Events
Um die Spieler bei der Stange zu halten, gibt es regelmäßig neue Events, die jedoch alle nach dem gleichen Schema ablaufen. Lies dich durch verrückte Dialoge, die (abgesehen von Charakteren & Setting) nichts mit Final Fantasy VII zu tun haben, und kämpfe jedes Mal gegen ein immer stärker werdendes Monster, um Items zu gewinnen, die Du dann gegen andere eintauschen kannst. Danach hast Du zwei Wochen Zeit, um die immer gleichen Kämpfe täglich 10, 20 oder 100x zu wiederholen, um noch mehr Items zu gewinnen. Mach es unbedingt, denn es gibt eine neue 5-Sterne-Waffe für Charakter xy zu gewinnen!
Zwischendurch wurden auch Dungeons für ein Ranking System freigeschaltet, so dass es ebenfalls als Event gilt, die Dungeons erneut zu durchlaufen, um möglichst viele Punkte zu ergattern.
Ich kann nicht in Worte fassen, wie ermüdend und langweilig ich das finde.
Leveln, leveln, leveln
Wie in Gatchas üblich, hat hier alles ein Level und braucht jeweils andere Items, um diese Level zu erhöhen.
Für Waffen-Stufen benötige ich Duplikate der Waffen, für ihre Level Baumaterialien. Materia braucht mehr Materia, Charaktere, Summons und Limits Gegenstände, die in kategorisierten Kämpfen gefunden werden können. Denn natürlich kann ich nicht gleichzeitig in einer Kategorie Belohnungen für Charakterlevel UND Waffenupgrade erhalten, das wäre ja zu einfach. Nein, ich muss natürlich viele verschiedene Kämpfe absolvieren und möglichst viel Zeit damit verbringen.
Nahezu alle Kämpfe, die ich abseits von Story-Missionen bestreite, kosten Energie. Ist mein Vorrat erschöpft, muss ich entweder warten, bis er sich von allein aufgeladen hat, oder ich kann ihn mit Gil oder Potions wieder auffüllen. Beides lässt sich mit Echtgeld kaufen, doch wie eingangs erwähnt, erhalte ich eigentlich ausreichend davon, um ohne Geld auszugeben viel, viel Zeit im Spiel zu vergeuden verbringen.
Ähnlich sieht es mit den diversen Upgrade-Materialien aus. Auch diese lassen sich mit Echtgeld kaufen, doch würde ich dies tun, wüsste ich vermutlich gar nicht mehr, wieso man das Spiel überhaupt spielen sollte. Denn das einzige Ziel ist es doch, jegliche Level zu erhöhen. Habe ich dieses Ziel erreicht … was bleibt dann noch von Ever Crisis?
Mich nervt diese Item- und Upgrade-Flut gewaltig. Zwar finde ich die Art des Materia-Craftings ganz ok (ähnlich wie in Crisis Core kann ich verschiedene Materias zu einer neuen verbinden), die Menüführung aber insbesondere wegen der unendlichen Masse an Materia so unübersichtlich, dass ich keine Lust habe, mich wirklich damit zu beschäftigen. Denn ich sehe nicht, welche Materia mit welchen Statuswerten ich hier gerade zum Aufleveln in eine andere schmeißen möchte, kann keine direkten Vergleiche zwischen zwei Materias ziehen, sondern muss ständig hin und her klicken und mir die Werte merken.
Auch beim Aus- und Umrüsten der Charaktere fehlt eine gute Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Waffen und Materias. Zwar gibt es eine Best-Equip-Funktion, doch die wirkt auf mich nicht immer überzeugend.
Fazit
Vermutlich bin ich von Anfang an mit falschen Erwartungen an das Spiel herangegangen.
Bei der ersten Ankündigung hieß es, Ever Crisis würde das Remake für die Leute werden, die sich ein „echtes Remake“ von Final Fantasy VII gewünscht haben. Und daher habe ich auch in etwa das erwartet. Ja, mit Gatcha-Mechaniken, meinetwegen mit Kostümen, auch der Missions-Charakter macht hier total Sinn. Aber ich habe schon erwartet, dass ich ein bisschen durch die Gegend laufen kann. Selbst entscheide, mit wem ich rede. Dass die Geschichte und die Charaktere mir einen Anflug von Gefühl vermitteln können. Aber nichts davon ist eingetreten.
„Spielen“ bedeutet für mich, dass ich aktiv etwas tue. Mitdenke, rätsle, mich freue. All das ist in Ever Crisis für mich nicht gegeben. Ich habe wenig Erfahrung mit Handy-Games, und ich kann mir vorstellen, dass Ever Crisis in seinem Genre ein herausragendes Spiel darstellt, wenn man generell Freude an dieser Art von Spielen hat. Aber für mich, als jahrelange Final Fantasy VII Fanin, die sich besonders auf die Geschichte und die Charaktere gefreut hat, hat dieses bloße Verwalten von Leveln und Items, das Knöpfchendrücken und Warten keinerlei Mehrwert. Es ist reine Beschäftigungstherapie im Final Fantasy VII Design. Und dass mein Lieblingsspiel für so etwas herhalten muss, tut mir dann irgendwie auch schon wieder weh, egal, wie hübsch es aussehen mag.
Wer also für unterwegs unbedingt etwas Unterhaltung sucht – für den mag Final Fantasy VII Ever Crisis vielleicht eine Option sein. Ich stecke meine Nase bis Rebirth dann doch lieber in ein Buch.
Meine Wertung: 3/10
(Story:3/10, Gameplay: 2/10, Musik: 7/10, Design: 9/10)
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