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… Über Final Fantasy XV zu schreiben fällt mir sehr schwer. Ich will es nicht schlechter machen, als es ist, aber ich kann auch nicht verleugnen, dass das Spiel für mich die größte Enttäuschung meiner gesamten bisherigen Gaming-Geschichte ist. Die Gründe dafür sind vielfältig, der Hauptgrund jedoch leicht auszumachen: Meine Erwartungen waren einfach so verdammt hoch, seit ich 2006 die ersten Versus XIII Trailer gesehen hatte. Dass Noctis zum Prinzen wurde, statt das Mafiakind zu bleiben – geschenkt. Dass er hässliche Prada Schuhe trägt – ist halt so. Dass das Charakterdesign so seltsam überzogen wirkt – Geschmackssache. Aber dass sie aus dem, was versprochen wurde, dieser absolut phantastisch düsteren Story voller Dramatik und Melancholie, einen ChocoBro-Roadtrip gemacht haben, der mehr als eine Storylücke aufweist und so unfassbar viel Potenzial verschenkt? Nein, das kann ich dem Spiel bis heute nicht verzeihen.
Aber der Reihe nach …
Zur Story
Und hier fängt es schon an. Ich würde jetzt gern darüber schreiben, wie Insomnia, die Hauptstadt des Reiches Lucis, unter einer Intrige des ewigen Aggressors Niflheim fällt. Wie der König getötet und der Prinz zur Flucht gezwungen wird. Doch – leider passiert dies nicht, zumindest nicht im Spiel. Wer diese Geschichte erleben möchte, muss sich den Prequel-Film Kingsglaive ansehen. Dieser ist wirklich phantastisch – wurde aber leider null ins Spiel integriert. Alles, was dort geschieht, wird nach knapp 2. Spielstunden in Final Fantasy XV in einem Nebensatz abgehandelt. Schade.
Das Spiel beginnt damit, dass Prinz Noctis samt seinen drei Begleitern ein teures und nagelneu aussehendes Auto schiebt. Oh, Sprit alle, dachte ich. Aber nein; der teure Luxusschlitten hat tatsächlich eine Reparatur nötig. Und obwohl man bald die königliche Werkstatt erreicht, die das Gefährt regelmäßig wartet, bekommen wir hier weder Sprit noch Ersatzteile. Zumindest nicht einfach so. Nein, da unser Prinz kein Geld dabei hat, muss er durch die Gegend rennen und für die leichtbekleidete Cidney (ein weiblicher Cid: megacool! Kleidung wäre trotzdem nett gewesen …) Kleinkram erledigen, damit man ihm für diese Gegenleistung sein Auto wieder fit macht. Puh.
Wir erfahren, dass unser Prinz auf dem Weg nach Altissia ist, wo er als Teil einer politischen Vereinbarung die Prinzessin Lunafreya aus dem besetzten Tenebrae heiraten soll. Auf halber Strecke erreicht die Gruppe die Nachricht von den Angriffen auf die Hauptstadt. Vom Raub des Kristalls, der das Königreich Lucis über alle Jahre schützte, und vom Tod des Königs. Noctis erfährt, dass er die Seelen der verstorbenen Könige sammeln muss, um mit ihnen und dem Ring der Lucis, der sich in Lunafreyas Besitz befindet, das Königreich zu retten. Und so beginnt Noctis‘ Reise durch das Reich Eos …
Im Grunde ist die Story nicht schlecht. Leider empfand ich sie aber die meiste Zeit als plump und unglaubwürdig umgesetzt. Was eine spannende, düstere und drängende Aufgabe hätte sein können, fühlte sich mehr an wie ein Urlaub mit Freunden. Man hat alle Zeit der Welt, um Fotos zu schießen, Frösche zu suchen oder eine Runde zu angeln. Dass gerade der Vater getötet worden und die Macht des Kristalls in finstere Hände gefallen ist, scheint selten eine Rolle zu spielen. Lieber noch eine Runde flippern!
Beachtenswert fand ich auch, dass kaum jemand in der Bevölkerung den Prinzen zu kennen scheint. Niemand gewährt ihm Hilfe ohne Gegenleistung. Und abgesehen von seinen Kameraden, zollt ihm auch niemand Respekt. Die Feinde hingegen erkennen den Prinzen immer schon von Weitem, während unsere Helden nicht einmal wissen, wer der wichtigste Abgesandte Niflheims ist (der Teil der Friedensverhandlungen und daher bestimmt auch mal in der Zeitung zu sehen war?). Ganz ehrlich … ein kleines bisschen Realismus … ist das zuviel verlangt?
Ich möchte hier gar nicht in die Tiefe gehen oder darauf herumreiten, dass alle für die Charakterentwicklung wichtigen Momente aus dem Hauptspiel in DLCs, Buch, Film oder Animeserie ausgelagert wurden. Würde sich das Geschehen im Spiel dennoch sinnvoll anfühlen, wäre das für mich total ok. Doch die Verbindung, die Noctis und Lunafreya angeblich haben, kann ich im Spiel ebenso wenig finden, wie die Motivationen Niflheims und Ardyns. Was ist die Sternenseuche und wer zum Henker ist der Typ in den weißen Klamotten?! All diese Fragen lässt das Spiel weitestgehend ungeklärt.
Positiv herausheben muss ich allerdings die vier Hauptcharaktere. Wenn man das Setting ignoriert und es als simplen Roadtrip annehmen kann, dann ist es einer, der rundum gelungen ist. Die Chemie zwischen den vier Jungs stimmt, und die vielen kleinen Begebenheiten, die sich während einer Autofahrt oder beim Camping miterleben lassen, sorgen dafür, dass sie einem schnell ans Herz wachsen.
Das Spiel
Schon 2006 wurde Final Fantasy XV als Teil der Fabula Nova Crystallis Reihe unter dem Titel Versus XIII auf der E3 angekündigt. Doch die Entwicklung zog sich mehr und mehr in die Länge. 2013 erfolgte die Umbenennung in einen eigenständigen Serientitel und 2014 verkündete Square Enix überraschend, dass die Projektleitung von Tetsuya Nomura an Hajime Tabata übergeben wurde. Erst zehn Jahre nach der ersten Ankündigung kam FF15 schließlich Ende 2016 auf den Markt.
Dass das Spiel ein Grafikhammer sein würde, war von Anfang an klar. Das Boygroup-Design der Charaktere ist sicherlich nicht jedermanns Sache, doch viel mehr gibt es in dem Punkt kaum zu meckern. Die offene Welt mag etwas eintönig und leer geraten sein, aber die (leider überwiegend sehr kleinen) Städte sehen phantastisch aus und sind für sich atmosphärisch und ein grafischer Augenschmaus.
Nach dem linearen dreizehnten Teil der Final Fantasy Reihe, macht FF15 es nun genau andersherum: In den ersten Kapiteln hat der Spieler alle Zeit der Welt und kann sich beinahe vollkommen frei in der weiten Spielwelt bewegen. Die letzten Kapitel sind dafür dann sehr linear, allerdings führen sie „nur“ die Geschichte zum Ende. Im Anschluss daran kann man über Spiel+ jederzeit nach Eos zurückkehren.
Die offene Welt bietet eine Fülle an Aufgaben. Questen, Monster jagen, neue Rezepte erlernen, die besten Angelspots finden – es gibt beinahe nichts, was es nicht gibt. Und wer sich einfach nur ein bisschen die Zeit vertreiben will, kann stundenlang mit dem Regalia durch die Gegend cruisen und die diversen Final Fantasy Soundtracks im Autoradio anhören oder den Flipperautomaten in den Restaurants benutzen. Langweilig kann es eigentlich nicht werden. Moment, hattet Ihr nicht eigentlich eine weltrettende Aufgabe? Egal.
Die Kämpfe setzen auf ein Action-RPG-System in Echtzeit, in dem man (fast) ausschließlich Noctis steuert. Dies macht einerseits unfassbar viel Spaß, ist auf der anderen Seite aber auch Kern diverser Ärgernisse. Positiv fand ich die Geschwindigkeit und Noctis Warp-Fähigkeit. Es hat mir viel Spaß gemacht, mit ihm über den Bildschirm zu fliegen. Da das Warpen MP verbraucht, habe ich das „echte“ Magiesystem so gut wie gar nicht benutzt. Negativ ist, dass manche Kampfbefehle plötzlich nicht richtig funktionieren; meist, wenn die eigene Sicht eingeschränkt ist. Und die Sicht ist leider ständig eingeschränkt. Sei es durch einen Strauch oder Felsen oder Begleiter oder irgendwelche Gliedmaßen Eurer Gegner. Manche Kämpfe fühlen sich an, wie wildes unkontrolliertes Knöpfchendrücken, bei dem man gar nicht wirklich sehen kann, was um einen herum geschieht.
Das Magiesystem habe ich wie gesagt kaum genutzt. Wenn man zaubern möchte, sammelt man die Elemente aus der Umgebung und kann diese dann nach Belieben mischen und daraus Zauber herstellen.
Die Charakterentwicklung erfolgt über ein Skillbrett. Dies ist wenig innovativ, aber funktioniert gut. Neben der Verbesserung Euer Kampffertigkeiten könnt Ihr dort auch passive Charakterskills wie Angeln oder Kochen verbessern. Gewöhnungsbedürftig und einschränkend war für mich die Form des Level-Up. Ihr sammelt beim Kämpfen zwar EXP, erhaltet diese aber nur, wenn Ihr rastet, d.h. Euer Campingzelt aufschlagt oder in einer Stadt eins der Hotelbetten benutzt. Je teuer das Hotel, desto höher ist der Multiplikator, mit dem Eure gesammelte Erfahrung multipliziert wird. Am sinnvollsten sind also teure Hotelbetten – am atmosphärischsten die Übernachtung mit den Kumpels am Lagerfeuer. Mich hier entscheiden zu müssen, fand ich wirklich gemein.
Ausgesprochen schlecht ist der Umgang mit den Esper gelöst. Die Kämpfe, die man bestreiten muss, um sie zu unterwerfen, bestehen überwiegend aus Videosequenzen, die von kurzen Einblendungen und Bitten nach Tasteneingaben unterbrochen werden. Für mich war das absolut unatmosphärisch. Zum Einsatz bringen konnte ich meine Espers dann leider gar nicht. Denn dies geht nur unter bestimmten Bedingungen (genügend Platz, Charakter muss angeschlagen sein, Kampf lange dauern …) und diese haben bei mir anscheinend nie gegolten. Ein einziges Mal wurde mir angezeigt, ich dürfe Ramuh rufen – doch so sehr ich mich bemüht habe – er kam nicht.
Dafür gibt es in FF15 quasi kein „Game Over“. Auch nach einem K.O. habt Ihr noch Zeit, einem gefallenen Gefährten einen Heiltrank einzuflößen. Solange Euer Vorrat gut gefüllt ist, habt Ihr also wenig zu befürchten.
Für den atmosphärischen Soundtrack verantwortlich zeichnet sich Komponistin Yoko Shimomura. Er ist sehr abwechslungsreich und enthält Musik diverser Stilrichtungen. Gerade die sehr tragenden klassischen Stücke sind für mich absolute Highlights.
Das Spiel enthält erstmals eine komplette Sprachausgabe, sowohl in Japanisch und Englisch als auch in Deutsch. Leider empfand ich die deutschen Stimmen und die Überbetonungen extrem anstrengend. Die englische Fassung gefiel mir besser, doch wirklich natürlich fühlt sich für mich nur die japanische Originalsynchronisation an. Dafür sind sowohl die deutschen als auch die englischen Untertitel gelungen und weitestgehend frei von Peinlichkeiten früherer Tage.
Insgesamt betrachtet ist Final Fantasy XV vermutlich kein schlechtes Spiel. Da mir die Geschichte, Setting, Atmosphäre und ein logischer Gesamtzusammenhang aber sehr wichtig sind, und das alles hier absolut nicht gegeben ist, macht dies einen positiven Eindruck für mich zunichte. Wer darüber hinwegsehen kann, dass ihr erst noch ein paar Selfies schießen müsst, ehe ihr die Welt rettet, der hat vermutlich mehr Freude daran und kann die Zeit mit den vier Jungs bestimmt genießen.
Dennoch mag ich das Final Fantasy XV Universum und kann Euch insbesondere den Film Kingsglaive sowie die Animeserie Brotherhood ans Herz legen.
Da die später erschienenen DLCs das Spiel nicht nur ergänzen, sondern teilweise Einfluss das Spielende nehmen – den Teil der Story, den ich tatsächlich gemocht habe, – kann ich daran kein gutes Haar lassen. Aber das ist nur meine sehr subjektive Meinung, die Euch nicht daran hindern soll, Euren Weg und Euren Spaß mit Final Fantasy XV zu haben.
(Diese Review bezieht sich auf das Original Release des Spiels aus 2016. Etwaige Verbesserungen aus späteren Updates oder der Royal Edition fließen hier nicht mit ein.)
Daten und Fakten
Hersteller: Square Enix
Erstveröffentlichung: 2016
Spieler: 1
Plattform: Sony Playstation / Xbox One
Discs: 1
Das Spiel erschien weltweit am 29. November 2016 für PS4 und Xbox One. Die 2018 veröffentlichte Royal Edition erschien ebenfalls für Windows. Das Spiel wurde um die drei DLC Episoden Gladio, Ignis und Prompto ergänzt. Mit Episode Ignis erhielt der Spieler die Möglichkeit, auch die Begleitcharaktere im Hauptspiel zu steuern.
2019 folgte der DLC Episode Ardyn. Die angekündigten Erweiterungen Episode Lunafreya, Aranea and Noctis wurden im gleichen Jahr gecancelt. Episode Ardyn erhielt noch einen Prolog als Anime-OVA, der auf Youtube veröffentlicht wurde. Die Inhalte der anderen DLcs wurden in dem Roman „Dawn of the Future“ erzählt.
Ebenfalls direkt mit Final Fantasy XV verknüpft sind drei Prequels: Der Film Kingsglaive, die Animeserie Brotherhood und der Prolog „Parting Ways“. Letzter erschien in Japan als Drama-Hör-CD, ist bei uns aber nur als Script erhältlich (dieses könnt Ihr bei den Downloads herunterladen). Mit „Monster of the Deep“ kam 2017 eine Final Fantasy XV Angelsimulation für die VR auf den Markt und die Ergänzung „Comrades“ erweiterte das Spiel um eine Multiplayerfunktion.
2018 erschien eine Final Fantasy XV: Pocket Edition für alle gängigen Systeme – auch Switch, Android und iOs.
Auch das Ingame Pinnball Spiel „Justice Monsters Five“ kann auf einer App in Adroid, iOs oder Windows 10 gespielt werden.
Weniger bekannt und weniger eng mit der Hauptgeschichte verknüpft sind die Spiele „A King’s Tale“ (2016 für PS4 und Xbox One), „King’s Knight – Wrath of the Dark Dragon“ (2017 für Android, iOs, wurde 2018 eingestellt), „A new Empire“ (2017 für Android, iOs20) und „War for Eos“ (2022 für Android & iOs).