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Mein Besuch beim Fantasy Filmfestival 2006 in Berlin wird mir wohl für immer als ganz besonderes Ereignis in Erinnerung bleiben. Endlich Final Fantasy VII – Advent Children sehen. Auf der großen Leinwand. Der Wahnsinn! – Ja, es war der Wahnsinn. Der Film nahm mich gefangen, glänzte durch seine grandiose Optik, verzauberte mit seiner Musik und belohnte uns langjährige FFVII-Fans mit vielen wunderbaren Details und Anspielungen aus dem so geliebten Spiel. Der Kinobesuch hat mich damals absolut mitgerissen. Darüber hinaus … wird es schwierig.
Zur Story
Für diejenigen, die sich ohne Vorwissen hierher verirren: „Final Fantasy VII – Advent Children“ ist ein Sequel, die Fortsetzung des Videospiels Final Fantasy VII. Es ist nicht der siebte Film in einer Reihe und hat auch rein gar nichts mit dem „ersten“ Final Fantasy Film „Die Mächte in Dir“ zu tun.
Die Geschichte beginnt zwei Jahre nach den Ereignissen von Final Fantasy VII und setzt voraus, dass die Zuschauenden mit der Handlung und den Charakteren des Spiels bereits vertraut sind. Es findet keine Einführung statt; die Betrachter werden direkt ins Geschehen geworfen. Wir erfahren lediglich, was in diesen zwei Jahren mit der Welt geschah: Seit Aerith den Planeten mithilfe von Holy und dem Lebensstrom vor der Zerstörung durch Meteor bewahrt hat, grassiert eine tödliche Krankheit unter den Menschen; das Geostigma. Ihr Ursprung liegt in den von Jenova verseuchten Zellen des Lebensstroms, die Sephiroth, der Antagonist in Final Fantasy VII, dazu benutzt, seine eigene Existenz zu sichern. Dazu bedient er sich der Manifestationen Kadaj, Loz und Yazoo, drei Jugendlichen, die für ihn nach „Mutter“, Jenovas Kopf, suchen, um Sephiroth so weit zu stärken, dass er zurückkehren kann.
Cloud, der Protagonist aus Final Fantasy VII, hat währenddessen mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Schuldgefühle plagen ihn. Er macht sich selbst für das Unglück der Welt verantwortlich, denn schließlich war er es, durch den Sephiroth in den Lebensstrom geriet. Auch, dass er den Tod seiner Freunde Zack und Aerith nicht verhindern konnte, kann er nicht verwinden. Als er ebenfalls am Geostigma erkrankt, zieht er sich von allen zurück, lässt Tifa und die beiden Waisenkinder Marlene und Denzel, mit denen er lebt, allein.
Als Kadaj, Loz und Yazoo sich jedoch der Kinder bedienen, um „Mutter“ zu finden, macht Cloud sich auf, sie zurückzubringen, und sieht sich bald erneut seinem alten Feind gegenüber.
Der Film
Advent Children ist ein 101-minütiger japanischer Animationsfilm aus dem Jahr 2005, der von Square Enix gemeinsam mit dem Visual Works Studio realisiert wurde. Tetsuya Nomura, der Charakterdesigner von Final Fantasy VII, führte hier erstmals Regie, das Drehbuch stammt aus der Feder von Kazushige Nojima, dem hauptverantwortlichen Autor hinter der Geschichte von Final Fantasy VII.
Wie schon bei „Final Fantasy – Die Mächte in Dir“, verwendete man auch bei Advent Children Motion-Capture-Technologie für die Animation der Charaktere. Lediglich die physikalisch unmöglichen Kampfszenen wurden rein digital konstruiert.
Für die Filmmusik zeichnete sich Nobuo Uematsu verantwortlich, der viele beliebte Stücke aus dem Videospiel komplett neu arrangierte, so dass sie erstmals in sattem orchestralen Sound erklangen.
Ursprünglich sollte Advent Children ein 20-minütiger Kurzfilm werden, der als Teil der neu ersonnenen Final Fantasy VII Compilation, das FF7-Universum erweitert. Die Handlung sollte sich auf Cloud, Tifa und die Kinder konzentrieren, eine Gewichtung, die man der Geschichte trotz der Expansion noch anmerkt.
Advent Children kam am 14. September 2005 in die japanischen Kinos, die Veröffentlichung in Amerika und Europa erfolgte 2006. Im gleichen Jahr erschien der Film auf DVD und UMD und gehörte in seinem Veröffentlichungsjahr zu den meistverkauften Animationsfilmen in Japan und den USA.
Die limitierte Ausgabe „Advent Pieces“ (Japan only) veröffentlichte 2007 zusätzlich zum Hauptfilm erstmals die OVA „Last Order“, einen 25-minütigen Anime, der das Geschehen in Nibelheim fünf Jahre vor der Handlung von Final Fantasy VII (und somit sieben Jahre vor Advent Children) behandelt. Während das Spiel Crisis Core Zacks Sichtweise behandelt, konzentriert sich Last Order auf den Turk Tseng und dessen Gedanken.
2009 wurde erstmals eine um 25 Minuten erweiterte Director’s Cut Fassung unter dem Titel „Advent Children Complete“ auf Blu-ray veröffentlicht, für die unzählige Filmszenen komplett neu überarbeitet und viele neue Details hinzugefügt wurden. Auch die Synchronisation musste teilweise neu eingesprochen werden, da die Synchronsprecher der Kinder im Laufe der Zeit zu sehr herangereift waren.
Zusammen mit Advent Children Complete erschien ein zweiter Anime. Die „Episode: Denzel“ ist die Verfilmung der gleichnamigen Geschichte aus dem Buch „On the Way to a Smile“ (dt.: Der Blick nach vorn) und vertieft in 28 Minuten die Hintergründe des Waisenjungen. Der Anime wurde im Bonusmaterial der Complete-Version veröffentlicht.
Im Juni 2021 erschien Final Fantasy VII – Advent Children Complete ein weiteres Mal, diesmal als grafisches Upgrade in 4k und Ultra HD.
Square Enix brachte die Complete-Version des Films im Januar und Februar 2024 für kurze Zeit zurück in ausgewählte Kinos, um die Fans auf das kommende Videospiel Final Fantasy VII Rebirth einzustimmen.
Kritik
Was Advent Children betrifft, schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits ist der Film für mich eine besondere Erinnerung an jenen Kinobesuch vor bald 20 Jahren, der mich von der wunderschönen Optik und dem Wiedersehen mit meinen so geliebten Charakteren schwärmen lässt. Doch wenn ich Advent Children wie jeden anderen Film behandle, ihn nach Aufbau, Geschichte und Handlung bewerte, dann sieht es ziemlich düster für ihn aus. Denn Final Fantasy VII – Advent Children ist tatsächlich nur ein Film für Fans. Es ist zwingend notwendig, zumindest eine Idee vom Spiel Final Fantasy VII, seiner Geschichte und seinen Charakteren zu haben. Fehlt das Vorwissen, wird man im Film sich selbst überlassen.
Zwar spricht Marlene (wer?) einige einführende Worte – diese überbrücken aber tatsächlich nur die zwei Jahre zwischen Spiel und Film, erklären die aktuelle Situation und neue Elemente. Sie helfen jedoch nicht zu verstehen, was in Final Fantasy VII geschah. Eine Einführung der Charaktere fehlt zur Gänze.
Im Fall Cloud, Tifa, Marlene und Denzel funktioniert es trotzdem ganz gut. Betrachtet man den Film wie eine Kurzgeschichte, in der man in eine bestehende Situation geworfen wird, kann man die Kerncharaktere anhand der um sie herum entstehenden Atmosphäre erfassen und greifen. Wir verstehen, dass hier etwas vorgefallen sein muss, dass etwas dabei ist, zu zerbrechen. Dass es hier viel Unausgesprochenes gibt, dass vorangegangene Geschehnisse das Jetzt belasten. Die erste Filmhälfte (oder vielleicht das erste Drittel) führt die Zuschauenden zwar abstrakt, aber auf eine akzeptable Weise in die Geschichte ein und gibt eine Idee von der Gesamtsituation. Die gleich drei Zeitsprünge zu Beginn (498 Jahre später, zwei Jahre zuvor, zwei Wochen früher? wtf?) werden Neulinge allerdings mehr verwirren als aufklären.
Danach wird der Film – und ich kann es nicht anders sagen – schlimm. Er schmeißt einfach wahllos die Charaktere des Spiels auf den Bildschirm, gibt ihnen zwei, drei Lines – und das wars. Fanservice pur, würde es sich nicht so deplatziert anfühlen. Daneben besteht „Advent Children“ ab diesem Moment nur noch aus aneinandergereihten Kampfszenen mit lautmalerischen Geräuschen der Akteure, die sogar für mich, die die Charaktere kennt und liebt, und auch eine Idee von der Dringlichkeit und den Gründen für diese Kämpfe hat, einfach nur unfassbar langweilig sind. Ich glaube, nicht einmal Fans von ausgeklügelten Kampf-Choreografien können diesem Teil des Films wirklich etwas abgewinnen, weil das wilde Hin- und Herspringen der Charaktere und Kreaturen, die geschwungenen Schwerter, fliegenden Motorräder, zerbrechenden Gebäude und herumfliegenden Trümmer nie erkennen lassen, wer da gerade was tut – und warum. Wie möglich oder unmöglich die Handlung ist (Yazoo fliegt mit dem Motorrad durch den Hubschrauber? Sichi …). Ja, klar, einiges sieht ziemlich super aus, aber … mehr eben auch nicht. Es sieht nur aus. Fertig. Und dafür dauert es einfach viel, viel zu lang.
Von der Handlung will ich gar nicht anfangen, da einiges selbst für Fans schwer (bis unmöglich) zu verstehen ist. Wieso z.B. wartet Aerith (bzw. die plötzlich auftauchende Frau mit der rosa Schleife) oder der Lifestream oder der Regen mit der Heilung der anderen Menschen, insbesondere der Kinder, nachdem Cloud bereits geheilt wurde? Wir können es ahnen, wenn wir FF7 und mindestens die Geschichten aus der Kurzgeschichtensammlung „On the Way to a Smile“ (Der Blick nach vorn) kennen. Allein aus dem Film lässt sich allerdings nichts von alledem ableiten.
Dazu kommt die wirklich schlechte Übersetzung sowohl der Untertitel als auch der Synchronisation. Obwohl ich in der Regel kein „Nur O-Ton ist das einzig Wahre“-Typ bin, ist Advent Children für mich nur in japanischer Sprache mit englischen oder deutschen Untertiteln erträglich. Präzise ist allerdings keine der Übersetzungen. Extrem verwirrend ist, dass nicht einmal der deutsche Ton mit den deutschen Untertiteln übereinstimmt. Dafür finde ich die deutsche Sprachausgabe um einiges gelungener als die amerikanische, die tatsächlich jedes Gefühl und jeden Ausdruck vermissen lässt.
Was bleibt, ist die Musik, das Setting und die noch heute, fast 20 Jahre später, umwerfende Optik des Films. Das Licht auf den nassen Straßen, das in Trümmern liegende Midgar – ich liebe diese Eindrücke und bin dankbar, sie heute in HD auf dem großen Fernseher erleben zu können. Daneben wirken die Charaktere natürlich etwas altbacken, oft verwaschen und sehr blass, – aber das ist dem Alter des Films geschuldet und nichts, was mich wirklich stört.
Wer sich also einen Film allein für seine Optik und die unfassbar gute Animation (das wehende Haar, die Kleidung!) ansehen mag, der kommt vermutlich voll auf seine Kosten. Wer ein bisschen Wert auf eine stimmige Handlung legt und nicht mit dem Final Fantasy VII Universum vertraut ist, darf einen Bogen um den Film schlagen.
Trotz aller Kritikpunkte wird Advent Children für mich immer ein optisches Sahnestück bleiben, das mir meine liebsten Charaktere und meine liebste Fantasywelt zurückgebracht hat. Bis ich ihn mir wieder anschaue. Dann brauche ich einige Zeit, die Realität zu verdauen und zu verdrängen, dass der Film keinerlei Regeln in Storyaufbau und Charakterentwicklung befolgt.
Daten und Fakten
Hersteller: SquareEnix
Erstveröffentlichung: 2005 / 2009
Medium: UMD, DVD & BluRay
Laufzeit: 101 / 126 Minuten
FSK: 12